Gottesdienst zur Verabschiedung
am 14. Juni 2025



Abschiedsworte des stellvertetenden Propstes Pfarrer Dirk Glufke

„Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge “
Anfang November 2011 wurde Thomas Gunkel als Propst in der Propstei Goslar und als Pfarrer an der Marktkirche in Goslar in sein Amt eingeführt. Im Juni wird er nun in den Ruhestand verabschiedet. In dieser Zeit veränderte sich das uns so vertraute Gesicht unserer Landeskirche, unserer Propstei und unserer Kirchengemeinden vor Ort! Diesen Prozess zu begleiten, moderieren und neue Wege und Lösungen zu finden, gehörten mit zu den Hauptaufgaben von Thomas Gunkel in dieser Zeit. Im Buch der Sprüche (Spr. 20, 12) heißt es: „Ein hörendes Ohr und eine sehendes Auge, die beide macht der Herr!“.Thomas Gunkel hatte immer ein Ohr für die Pfarrerinnen und Pfarrer und für die Kirchengemeinden der Propstei Goslar. Mit einem wachen Verstand hörte er die Sorgen und Fragen vor Ort und suchte mit offenen Augen gemeinsam mit den Gemeinden und den dort verantwortlichen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden nach Lösungen und Antworten. Er sah die Probleme und wich ihnen nicht aus, auch wenn es schwierig wurde. Dabei besitzt er die Gabe sich immer gut zu vernetzen – sei es in der Stadt Goslar, der Propstei oder unserer Landeskirche
Den Prozess der Gründung der Kirchengemeindeverbände in den Gestaltungsräumen unserer Propstei begleitete und moderierte er zusammen mit dem Propsteivorstand und der Propsteisynode. In seine Amtszeit fällt die Gründung des Propsteiverbandes Braunschweiger Land. Ihm wurde das Kirchenverbandsamt in Goslar angeschlossen. Der Propsteiverband nimmt die Finanz- und Personalverwaltung für die ihm angeschlossenen Kirchengemeinden und so auch für unsere Propstei Goslar wahr. Auch die Trägerschaft der evangelischen Kindergärten gehört seit 2023 dazu. Thomas Gunkel war in all dieser Zeit Mitglied im Vorstand des Propsteiverbandes. In unserer Landeskirche vertrat er die Propstei Goslar nicht nur als Propst, sondern er gestaltete in der Landessynode über zwei Legislaturperioden als Landessynodaler die anstehenden Fragen unserer Landeskirche aktiv mit. Ihm ging es darum, den Ortsgemeinden und der Pfarrerschaft angesichts knapper werdenden finanzieller und personeller Ressourcen Schritte und Perspektiven in die Zukunft zu ermöglichen. Die künftige Personalentwicklung in unserer Propstei ist bei ihm bis zuletzt in seinem Blickfeld geblieben. Der begonnene Gebäudezukunftsprozess in Goslar ist ihm eine Herzensangelegenheit.
In all dieser Zeit erlebte ich Thomas Gunkel als jemanden, der auch beharrlich und mit viel Weitblick diese und andere Ziele verfolgt. Dabei zeichnen ihn sein klarer Verstand und sein umfangreiches Wissen in Sachfragen aus. Er besitzt aber auch die Gabe, Probleme und Streit mit einer großen Portion Humor und mit Liebe zu den beteiligten Menschen betrachten zu können. Seinen Dienst übt er nicht nur mit einer hohen Arbeitsdisziplin aus, sondern auch mit seinem großen Gottvertrauen. Bei Andachten zu Beginn einer Sitzung des Propsteivorstandes seinen theologischen Überlegung zu folgen und so einige seiner geplanten Rundfunkandachten vorab schon hören zu dürfen, sind für mich immer eine Bereicherung!
Für all diesen Einsatz danke ich Propst Thomas Gunkel im Namen unserer Propstei Goslar von ganzem Herzen. Über fast 14 Jahre war er segensreich für seine Propstei unterwegs. Mein Wunsch für ihn ist, dass er seinen Ruhestand gesund genießen darf. Sei es bei einem guten Buch, bei einem leckeren Essen mit einem guten Glas Wein oder mit einer Tour auf seinem Segelboot – mit genügend Wasser unter dem Kiel und ohne Flaute!
Dirk Glufke, Pfarrer und stellvertretender Propst
Kirchenseiten Sommer 2025
Interview mit Propst und Marktpfarrer Thomas Gunkel - von Dierk Landwehr


Lieber Thomas, Deine Dienstzeit in Goslar geht nun am 30. Juni nach fast 14 Jahren zu Ende. 11 Jahre warst Du Gemeindepfarrer in Wolfenbüttel und 11 Jahre Schulpfarrer am Gymnasium in Braunschweig, dann in Goslar als Propst und Marktpfarrer.
Neulich hast Du eine Predigt zum „Guten Hirten“ gehalten. Aus meiner Sicht warst Du ein guter Hirte während Deiner Goslarer Zeit. Ein Geschenk für Goslar in dieser Umbruchsituation! Dennoch hast Du manche Vorhaben nicht zu Ende führen können. Wie blickst Du auf den Reformprozess zurück, den Du begleitet hast als Gemeindepfarrer, Propst und Mitglied der Landessynode Braunschweig?
Da weiß ich gar nicht, worauf ich zuerst antworten soll. – Der gute Hirte ist nicht mein Lieblingsbild, wenn es um Kirche und Gemeinde geht; es hat eine große Anschaulichkeit, die aber nicht mehr in unsere Zeit passt. Das Verhältnis von „Hirte und Herde“ ist doch eher ein vordemokratisches Bild. Wenn wir das Bild dennoch aufgreifen, gibt es Hirten, die vorausgehen, und solche, die der Herde hinterhergehen. Diese „Hannemann-geh-Du-voran-Mentalität“ mag ich eigentlich nicht. Ich bin immer an einer mündigen Gemeinde und Kirche interessiert gewesen. Ich hoffe, dass ich das ein bisschen ausstrahlen konnte. An bestimmten Stellen habe ich dann aber doch versucht voranzugehen, wenn es um notwendige Veränderungen ging. Die neuesten Prognosen sagen, dass die Kirche innerhalb von gut 20 Jahren noch einmal um die Hälfte kleiner werden wird. Da kann man nicht stur an der bisherigen Idee von Kirche festhalten.
Ich möchte noch einmal bei Deiner Dienstzeit hier in Goslar bleiben. Du bist aus meiner Sicht einer, der nicht gerade mit seinen Erfolgen prahlt. Was waren für Dich wesentliche Punkte, die Dich sehr erfreut haben?
Am meisten genossen habe ich wohl die Predigtarbeit an der Marktkirche. Ich habe auch an anderen Orten gern gepredigt, das mache ich sowieso gerne. Aber dieser Ort ist schon ein besonderer. Es gibt in dieser Kirche eine eigene, bemerkenswerte Zuhör-Atmosphäre. Das ist eine Kulturform, die uns abhandenkommt: dass da jemand eine Viertelstunde reden darf und die anderen hören sich das erstmal in Ruhe an. Das haben wir sonst nirgendwo mehr in der Gesellschaft. In der Marktkirche ist es noch sehr präsent und es wird geschätzt. Man merkt es dann häufig an den Reaktionen an der Tür, dass da wirklich Kommunikation zustandegekommen ist.
Hast Du gehofft, dass Du während Deiner Amtszeit mehr bewegen könntest? Du bist ja ein zielorientierter Mensch, wie Du es in Deiner Eingangspredigt Anfang November 2011 formuliert hast.
Ich bin damals sehr bewusst in die Landessynode gegangen, habe zwei Legislaturperioden der Synode angehört. Dafür gab es einen sachlichen Grund. Als ich damals hier ankam, wurde die Finanzierungsstruktur für die Gemeinden verändert. Das Geld wurde knapper, die Landeskirche hat damals entschieden, eine Budgetierung einzuführen. Es ging nicht mehr um die Frage, welches Geld gebraucht wird, sondern welches Geld da ist. Das wurde dann nach Gemeindegliederzahlen verteilt, statt nach Schwerpunkten. Da habe ich meine Ziele nicht erreicht. Aber es ging ja auch um die Leitung der Propstei; da ist erst einmal festzuhalten, dass wir trotz der inhaltlich schwierigen Debatten (zum Beispiel: Was halten wir fest und was müssen wir aufgeben?) in guter Atmosphäre miteinander gearbeitet haben. Auch da gilt: Man braucht Geduld, weil es langsam geht.
Kommen wir zu den Highlights Deiner Zeit als Propst und Marktpfarrer. Begonnen hat es – da warst Du erst zwei, drei Monate im Amt – mit der Einweihung der Orgel. Da hältst Du Dich auf einem Foto etwas im Hintergrund. Später hast Du gern und erfolgreich im Vordergrund agiert.
Es kamen die ganz großen Geschichten, das 500. Reformationsjubiläum – etwas ganz Einmaliges, das als Propst zu erleben und führend mitzugestalten. Und dies auch noch im Weltkulturerbe Goslar mit der historisch bedeutenden Marktkirchenbibliothek. Nicht zu vergessen die Doppelausstellung „500 Jahre Reformation“. Das war bestimmt auch für Dich, etwas ganz Besonderes. Was bleibt davon für Dich markant in Erinnerung?
Für diese wunderbare Orgel konnte ich nun wirklich nichts. Das haben andere eingefädelt. Und ich konnte mir dann nur staunend angucken, wie sie fertig wurde und wir das feiern konnten. Es ist schön, dass wir sie haben und dass sie dazu beiträgt, dass Menschen in diese Kirche kommen und es genießen können, und dass wir einen Kirchenmusiker vor Ort haben, der das auszuschöpfen weiß.
Das Reformationsjubiläum war in der Tat eine wichtige Station. Es war mir damals nicht hinreichend bewusst, was für ein Schatz diese Marktkirchenbibliothek ist, nur dass sie etwas Wertvolles und Bedeutendes ist. Da bin ich meinem Vorgänger Helmut Liersch sehr dankbar, dass er zusammen mit Prof. Bubenheimer die wissenschaftliche Seite des Ganzen bedient hat. Sie haben einige wichtige Entdeckungen gemacht, in den letzten Jahren noch, also in meiner aktiven Zeit.
Das ist alles sehr, sehr erfreulich, zumal es inzwischen mit der öffentlichen Ausstellung der Bibliothek auf dem Kulturmarktplatz, auch einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Besonders freut mich, dass wir dort einen außerschulischen Lernort etablieren konnten – mit Unterstützung von Herrn Seyfarth, der Erfahrung mitgebracht hat durch seine Tätigkeit an der Herzog-August-Bibliothek und am Schloss-Gymnasium in Wolfenbüttel.
Das Reformationsjubiläum hat mir auch die Möglichkeit gegeben, etwas außer der Reihe als Ausstellungskurator zu machen, und ich glaube, wir haben da etwas Gutes zu Wege gebracht. Es hat deutlich gemacht, dass Reformation nicht etwas ist, was einfach 500 Jahre zurückliegt und uns heute nur noch als historische Reminiszenz interessiert. Mit der Marktkirchenbibliothek kann man eigentlich zeitlose Konflikte erläutern: Wozu ich mich bekenne und wie das mit den Loyalitäten ist und mit dem Angegriffen-sein, wenn ich mich zu etwas bekenne. Da wird Reformation plötzlich ganz aktuell.
Zum Schluss Deiner Dienstzeit: Was wäre Deine Botschaft an die Gemeinde, an die Propstei, an Christinnen und Christen, an alle in Stadt und Land im Frühsommer 2025?
Es gibt, auch innerhalb der Kirche, einen Abgesang auf Religion und Kirche. Liest man Zeitungsartikel dazu, dann ist der Tenor häufig, dass die Kirche ein Auslaufmodell sei. Dazu kann ich nur sagen: Glaubt das nicht! Was mit dieser Institution wird, weiß ich nicht. Aber was ich dazu sagen kann, ist, dass Kirche nicht das zentrale Anliegen Jesu war, sondern das Kommen des Gottesreiches. Er war nicht darauf aus, eine neue Religionsgemeinschaft zu gründen. Wenn wir aus den Äußerungen Jesu etwas ableiten wollen für die Kirche, dann geht es um Sehnsucht. Dafür sollte die Kirche sich offenhalten. Religion hat für mich nicht in erster Linie mit abgestandenen Begriffen zu tun, die in unserer Alltagswelt gar nicht mehr vorkommen. Sie ist kein Selbstzweck. Eine Kirche, die sich nur um sich selber dreht, braucht niemand. Wir brauchen eine Kirche, die sich ernsthaft Kirche Jesu Christi nennen kann und das ist möglicherweise eine Kirche, die weniger vorgefertigte Antworten präsentiert, sondern mit den Menschen gemeinsam angemessene Fragen zu stellen vermag.
Herzlichen Dank, lieber Thomas, für Deine vielfältig wertvolle, nachhaltig konstruktive und zwischenmenschlich wohltuend-angenehme Präsenz in unserer Marktgemeinde und der Propstei Goslar!
Das Interview führte Dierk Landwehr